Das Jetzt, das Hier und die Dankbarkeit


Was für ein Jahr und es geht noch weiter.

Eigentlich wäre jetzt die Zeit für Weihnachtswünsche. Stattdessen blicke ich zurück. Zurück auf ein Jahr das so ganz anders war.

Es war nicht mein schlimmstes Jahr aber auch definitiv keines das ich noch einmal brauche. Laßt uns alle im Chor rufen, es war grauenhaft, desaströs, apokalyptisch. Die Reiter erschienen ja täglich am Horizont des medialen Blätterwaldes. Doch halten wir mal kurz die Hufe still. Es war eine Katastrophe. O.k. darauf kann ich mich einlassen. The worst ever! Worst ever? Na ja, ruhig Brauner.

Ich schau jedes Jahr gerne mal zurück um zu sehen was gut war, was
schlecht war, was besser hätte laufen können und was ich mir für nächstes Jahr wünschen sollte.

Mit Wünschen ist es so eine Sache. Sie können sich manchmal erfüllen und dann hat man den Salat. Es ist wahr geworden aber anders als man denkt.  Das war für mich auch mal wieder eine Lehre. Ich sollte künftig vorsichtiger mit meinen Wünschen umgehen.

Wer erinnert sich an meine kleine Weihnachtsgeschichte vom letzten Jahr? Ja, darin steckte der Wunsch nach mehr Ruhe und Besinnlichkeit in der Vorweihnachtszeit.

Treffer, versenkt! Alle Neune! Voll auf die Zwölf!

Gebt mir ruhig die Schuld, den Rest könnt ihr behalten. Aber bitte glaubt mir, so hab ich das auch nicht gewollt.

Nachdem das Virus in diesem Jahr die ganze Welt im Atem gehalten hat bekam ich in den letzten Wochen vor Weihnachten (und darüber hinaus) endlich die Muße für innere Einkehr und hatte keine Ausrede.

Natürlich merke ich selbst, dass es mir jetzt auch wieder nicht recht ist. Es ist ja leicht den Konsum und die Hektik zu verdammen, wenn man sich jederzeit wieder die nötigte Dosis Streß besorgen kann. Über den Lockdown, an dem ich nichts ändern kann, kann ich mich natürlich aufregen (ändert aber nichts) oder ich begreife ihn als unerwartetes Geschenk. Für meine Nerven ist die zweite Ansicht weitaus verträglicher. Und jetzt mal ehrlich, man kann doch daraus was machen.

Heute ist Heiliger Abend. Weihnachten, das Fest der Liebe die wir für unsere Mitmenschen spüren mögen. Was ist es ideell gesehen noch? Ich finde es ist auch ein Fest der Dankbarkeit. Wer jemanden danken möchte drückt das neben Worten und Taten auch gern zu Weihnachten durch kleine oder größere Geschenke aus.

Und heuer? Wäre das Leben etwas dem man Verantwortung zusprechen könnte, so hätte man den Drang ihm entgegenzuschleudern:


2020!  Danke für Nichts!

Das ist schnell gesagt, unheimlich befreiend, nutzlos und noch dazu ungerecht.

Danke für Nichts!
Danke für Nichts?
Warum eigentlich?

Unwidersprochen wurde dem Leben in 2020 so viel an Einschränkungen der persönlichen Freiheit abverlangt, dass viele geneigt sind sich als die größte Verlierergeneration zu verstehen die die Erde je gesehen hat. Besser noch: „Man“ hat sich verschworen, um einen zu schaden.

Wer das glaubt soll das tun und kann das gerne so sehen, solange er andere nicht mit diesen Ansichten belästigt.

Eine Gefahr die ich darin sehe ist der Zorn, der sich durch die vermeintliche Ohnmacht aufstaut.  Ist dieser zu groß, wird er sich ein Ventil suchen. Irgendjemand muss ja die Schuld dafür haben (sei es Gott, China, die Politiker oder eine x-beliebige ausgewählte Gruppe von Menschen). Das Verhaltensmuster kenne ich, es ist ja so gängig. Nur den eigenen Beitrag zum Schlamassel, den hat man seltenst im Blick.

Auch bei mir würde der Druck steigen, wenn ich das Feuer unter meinem emotionalen Kessel nicht herunterfahren würde.

Manche versuchen es mit Yoga oder Alkohol. ch versuche eher mich in den zeitlichen und räumlichen Kontext unserer Welt zu stellen. Und TaTa schon kann ich die Situation erneut bewerten.

Das Jetzt.

Die Eingriffe in unsere Freiheit und die auferlegten Beschränkungen sind nicht der Weltuntergang, genau so wenig, wie es die Krankheit selbst sein wird.

Wir müssen nur über den Tellerrand schauen oder den bisherigen Lauf der Geschichte ansehen, um  zu verstehen, dass die Beschneidung der Entscheidungsfreiheit (durch Mensch und/oder Natur) eigentlich der Normalzustand ist und wir uns glücklichst schätzen müssen dass wir das grundsätzlich anders erleben dürfen. Was für einen selbst der Normal- und was Ausnahmezustand ist ist eine eigene Betrachtung wert.

Fragen wir übrigens in dem Zusammenhang auch noch schnell die letzten Zeugen und Überlebenden der Kriegsgeneration was für sie persönlich die größte Katastrophe war.

Mal ehrlich, auch wenn die Welt an Covid nicht untergehen wird (wir hatten solche Einschnitte schon öfters
(z.B. diverse Pestwellen, spanische Grippe, der dreißigjärige Krieg usw.), Corona wird sich hier prächtig einreihen. Es ist heute eine der großen Katastrophen (mir persönlich fielen parallel noch ein paar andere ein). Für die Welt aber sie wird nicht das Ende bedeuten.

Es ist aber klar, dass die Seuche den Tod von vielen Millionen von Menschen bedeuten wird und desaströse Auswirkungen auf Wirtschaft und Handel, das Einkommen und damit das Überleben von Menschen haben wird. Zukunftsangst und Perspektivlosigkeit wird das Leben von Menschen über viele Jahre hinaus prägen.

Ich hoffe nicht dass ihr das für Übertreibung haltet. Denn das ist wirklich das Jetzt.

Es ist das Jetzt in sehr weiten Teilen unserer Welt. In Ländern, die so weit weg sind und so unbedeutend für unsere Nabelschau, dass diese Nachrichten es nicht einmal in unsere Tagesschau schaffen. Unser Blick auf die Lage in andere Ländern die nicht mehr der Komfortzone unseres Landes zugehören, ist verstellt durch unsere eigenen Befindlichkeiten.

Da sind Länder, deren Politik sich nicht dem Wohl der Bevölkerung verpflichtet fühlt und die sich einen eigenen politischen Vorteil zu sichern suchen, obwohl sie ökonomisch in der Lage wären mehr für die Menschen zu tun und sie vor den Folgen dieser Krankheit zu schützen.

Da sind Länder, in denen große Teile der Bevölkerung auch ohne Pandemie einen täglichen Kampf ums Überleben austragen. Länder in denen Hunger, Aussichtslosigkeit und die Sterblichkeit auch ohne Covid so hoch sind, dass wir am liebsten unsere Ohren zuhalten wollen.

Da sind Länder, die Kriege führen, auch gerne auch mal gegen die eigene Beölkerung. Die Menschen entrechten, verfolgen, vertreiben oder foltern. Mal sehen, ob Covid hier noch einen draufsetzen kann.

Das wissen wir, dieser Zustand ist nicht neu und ich fürchte das wird es geben solange es Menschen gibt. Das Leid auf dieser Welt wird mit oder ohne Pandemie sehr groß sein.

Und damit komme ich zum Hier.

Wir leben in einem der reichsten Länder dieser Erde. Wir haben ein Gesundheitssystem, um das uns die Welt beneidet. Wir haben ein Sozialsystem, dass daür sorgt, dass auch in schwierigsten Lebenssituationen niemand hungern oder auf dem Gehsteig schlafen muss. Wir haben Geld genug, um in ungeahntem Ausmaß Einnahmeausfälle zum großen Teil auszugleichen und damit die Wirtschaftsstruktur für den kommenden Neustart intakt zu halten. Wir haben Mitmenschen, die bereit sind weit über das übliche Maß arbeiten, um den Virus zu bekämpfen und die sich dabei selbst gefährden.

Und mit das Wichtigste, wir haben eine Politik, die auf dem schmalen Grad unserer Vernunft agiert und unser Land durch die Untiefen dieser Seuche auf dem Weg zurück zur gesellschaftlicchen Normalität navigiert. Die Zahl der Opfer ist hoch aber sie wird mit unser aller Anstrengung in Grenzen halten. Es ist auch an uns dafür zu sorgen dass wir dieses Zeit hinter uns lassen können.

Viele sagen, dass es auch bei uns hier nicht gerecht zugeht und es fällt auch mir nicht schwer ungerechte Fälle aufzuzeigen. Stimmt! Auch unsere Welt ist nicht perfekt. Es gibt auch hier immer wieder Schieflagen und Ungerechtigkeit im Umgang mit der Pandemie. Die augenfälligsten Rechtsverstöße werden durch die Justiz korrigiert und für alle die sich durch sie ungerecht behandelt fühlen, es ist eine Rechtssystem. Recht und Gerechtigkeit sind voneinander zu unterscheiden. Wer das Objektive vom Subjektiven nicht trennen will, den möchte ich sagen, dass nach meiner Erfahrunng das Leben nie den Anspruch erhebt gerecht zu sein.

Und nun die Dankbarkeit.

Für den glücklichen Umstand, hier leben zu dürfen bin ich so was von dankbar, umso mehr als ich bislang keine Angehörigen und keine Freunde durch die Krankheit verloren habe.

Bei allem Übel, es war für mich ein gutes Jahr. In meiner Familie hat neues Leben das Licht der Welt erblickt und ich bin dankbar, dass es das Glück erfahren durfte hier auf die Welt zu kommen. Zu dieser Zeit hier leben zu dürfen ist eines der größten Geschenke die 2020 einem machen konnte.

Was sind dagegen ein paar ausgefallene Ferienreisen, fehlendes Gruppenkuscheln oder entgangenes Shoppingglück. Das kommt bald wieder und wir werden es mehr genießen können wenn wir, unsere Verwandten und Freunde gesund und am Leben sind.

Ich sag dem Jahr 2020 auf jeden Fall danke und ich hoffe, auch ihr findet für Euch Gründe, dass ihr es könnt.


(Ach ja bevor ich es vergesse, für nächstes Jahr wünsch ich mir jetzt einmal lieber gar nichts. Vielleicht besser so😉)

Servus und passt auf Euch und die Mitmenschen auf.

Euer
Tigrito